Auf dem Friedhof, so wurde ich als Kind erzogen, durfte man nicht laut reden. Wir durften nur mit gedämpfter Stimme flüstern. Das war bestimmt nicht schlecht. Wir lernten so die Achtung vor den Toten. Und wir übten so auch die Ehrfurcht vor dem Tod ein. Rückblickend würde ich sagen, die Ehrfurcht vor dem Tod hilft, mit der Angst vor dem Tod fertig zu werden.
So ähnlich geht es jedenfalls den Jüngern im Sonntagsevangelium. Sie
überqueren im Boot mit Jesus einen See und werden von einem schrecklichen Unwetter überrascht. Todesangst überfällt sie. Doch Jesus stoppt den Sturm mit einem einzigen Befehl. Plötzlich alles ruhig! Für die Jünger besteht kein Grund zur Angst mehr. Aber jetzt überkommt sie eine ungeheure Furcht vor Jesus und seiner übermenschlichen Kraft. Wir würden sagen: "Ehrfurcht".
Ehrfurcht ist anscheinend die Haltung, mit der wir Jesus begegnen sollen. So ergibt es sich jedenfalls aus dem Evangelium. Die Ehrfurcht zeigt sich als das genaue Gegenteil von Angst: Angst kann fast blind machen - so sagt es
jedenfalls der Volksmund: "blind vor Angst". Die Ehrfurcht dagegen weitet den Blick. Sie macht uns bewusst, dass wir in einer größeren Welt leben, als wir überblicken können. Die Ehrfurcht kann uns das Gefühl vermitteln: Wir sind gehalten, trotz aller Unsicherheiten und Stürme.
Dieses Gefühl: getragen zu sein, das wünsche ich uns allen -
Ihr Diakon Dr. Bertram Herr