Als Aaron und Moses dem Pharao die Botschaft Gottes überbringen, er solle die Israeliten in die Freiheit entlassen, kommt dieser der Aufforderung erst nach geraumer Zeit nach, und das auch nur durch massiven Druck, nachdem die „zehn Plagen“ (Ex 7,15 – Ex 11,10) den Ägyptern das Leben regelrecht zur Hölle gemacht haben.
Die furchtbarste und letzte aller Plagen, die den Pharao schließlich nach- bzw. aufgeben lässt, ist der Tod. Damit dieser die Israeliten verschont, hat Moses sie im Auftrag Gottes angewiesen, ihre Türen mit dem Blut eines geschlachteten Lammes oder Zickleins zu markieren, denn nur die Familien mit diesen besonders gekennzeichneten Türen werde der Tod verschonen. Außerdem sollen sie ihre Sachen gepackt haben, um reisefertig zu sein. „Es war Mitternacht, als der Herr alle Erstgeborenen in Ägypten erschlug, vom Erstgeborenen des Pharao […] bis zum Erstgeborenen des Gefangenen im Kerker […]; es gab kein Haus, in dem nicht ein Toter war. Der Pharao ließ Mose und Aaron noch in der Nacht rufen und sagte: Auf, verlasst mein Volk, ihr beide und die Israeliten!“ (Ex 12, 29-31).
Und so macht sich Gottes Volk Israel auf den Weg in die Freiheit. Gott, der Herr, ist unterwegs bei seinem Volk: Am Tag erscheint er ihm in einer Wolkensäule, um es sicher zu führen, und nachts in einer Feuersäule, um ihm in der Dunkelheit zu leuchten (vgl. Ex 13,21).
Das Volk Gottes ist aber noch nicht weit gekommen, als der Pharao seine Entscheidung bereut. Er wählt die besten Soldaten und schnellsten Kriegswagen aus, um den Israeliten hinterherzujagen. Und plötzlich befinden die Israeliten sich in einer „Zwickmühle“: Vor ihnen liegt das Meer, und hinter ihnen droht die Armee des Pharao.
In dieser eigentlich aussichtslosen Situation zeigt sich, dass der von Gott offenbarte Name „Ich-bin-da“ Programm ist. Der Herr fordert Moses auf, seinen Stab zu erheben, die Hand über das Meer zu strecken und es zu spalten, damit die Israeliten trockenen Fußes hindurch ziehen können. Als die Ägypter ihnen folgen, stürzt die Wasserflut über ihnen zusammen „und bedeckte Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht des Pharao, die den Israeliten ins Meer nachgezogen war. Nicht ein einziger von ihnen blieb übrig“ (Ex 14,28). Und obwohl es im letzten Vers dieses Abschnitts heißt: „[Die Israeliten] glaubten an den Herrn und Mose, seinen Knecht“ (Ex 14,31), kann man schon kurz darauf lesen, dass sie sich über Hunger (Ex 16,2-3) und Durst (Ex 17,1-4) beklagen. Sie lehnen sich so sehr gegen Moses und Aaron auf, dass der „Ich-bin-da“ seinem Volk aus dieser existentiellen Not hilft, indem er ihm Wachteln und Brot vom Himmel schickt (Ex 16,12-15) und auch dafür sorgt, dass sie in der Wüste keinen Durst mehr erleiden müssen (Ex 17,5-6). Der Gott Israels zeigt sich wirklich als liebender Vater, der den Namen „Ich-bin-da“ mit Recht trägt.
Im dritten Monat ihrer Wanderung kommen die Israeliten in die Wüste Sinai und schlagen ihre Zelte gegenüber vom Berg auf. Gott, der auf den Gipfel des Sinai herabgestiegen ist (Ex 19,20), ruft Moses zu sich und übergibt ihm die Zehn Gebote (Ex 20,2-17). Weil Moses der Prophet des Herrn ist, erklärt Gott ihm die Gesetze, die Moses anschließend dem Volk erläutert, das verspricht, sich an die vom Herrn gegebenen Gebote zu halten. Moses geht auf den Berg zurück, um mit Gott über Dinge zu sprechen, die mit den Vorschriften zusammenhängen, z.B.: die Anfertigung der Bundeslade (Ex 25, 10-22), Rechtsvorschriften (Ex 21,1 – Ex 23,19) usw.; Moses ist jedoch so lange (40 Tage) fort, dass die Israeliten sich enttäuscht an Aaron wenden und ihn bitten: „Mach uns Götter, die uns vorangehen. Denn dieser Mose, […] – wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist“ (Ex 32,23).
Das von Aaron eingesammelte Gold (Eheringe, Ketten …) wird eingeschmolzen und zu einem goldenen Kalb gegossen, das die Israeliten anbeten. Als Gott und Moses sehen, wie schnell die Menschen ihr Versprechen vergessen, werden sie zornig. Vom Berg herabgekommen, zerschmettert Moses vor lauter Zorn sogar die beiden Steintafeln mit den Zehn Geboten (vgl. Ex 32,19). Doch weil er sein Volk trotz allem liebt, bittet er Gott, ihm eine zweite Chance zu geben (Ex 32, 30ff.). Moses darf zwei neue Steintafeln zurechthauen, auf die genau dieselben Worte geschrieben werden, die auf den zerbrochenen Tafeln gestanden haben (Ex 34,1), und „aufgrund dieser Worte schließe ich mit dir und mit Israel einen Bund“ (Ex 34,27), verspricht Gott seinem Propheten. Und dieser Bund, der auf den Zehn Geboten gründet, hat auch Bestand. Sogar bis heute.
Im vorigen Beitrag habe ich das an der Tür zu meinem Arbeitszimmer hängende Plakat erwähnt, das auf die Exodus–Nacht aufmerksam gemacht hat. Manchmal bleibe ich vor ihm stehen, um es mir in allen Einzelheiten noch einmal anzuschauen und mich an einen wunderschönen, unvergessenen Abend im Juni 2008 zu erinnern.